Eine Betrachtung von Jürgen Kretzschmar,
Tarifchef der DVG und Mitglied der DBB-Verhandlungskommission
Ich stelle es gleich mal voran: Ich habe dem Tarifergebnis weder zugestimmt, noch habe ich dagegen gestimmt, ich habe mich enthalten. Das hatte in erster Linie keine inhaltlichen Gründe. Der Grund für meine Stimmenthaltung war organisatorischer Art. Das Einigungspapier konnte den Mitgliedern der Verhandlungs- und der Bundestarifkommission erst am Abend des 2. März gegen 22.00 Uhr vorgelegt werden. Gleichzeitig fand da bereits die Pressekonferenz statt, auf welcher das Verhandlungsergebnis der Presse und damit der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Hier war also die Reihenfolge nicht nachvollziehbar, die entscheidungsbefugten Gremien konnten nichts mehr beeinflussen.
Zu den Details:
8 Prozent Tariferhöhung klingt schon mal gut. Das hatte ich nach dem Verlauf der Verhandlungen ehrlich gesagt nicht mehr erwartet. Anerkennenswert ist auch, dass im Sozial- und Erziehungsdienst (allerdings erst ab 1. Januar 2020 mit 3,01 und 3,12 %) sowie im Krankenhaus- (Pflege-) Bereich die Tabellen aus dem TVöD übernommen und dynamisiert sowie im Pflegebereich um weitere 120 € (statt geforderten 300 €) angehoben werden. Es war ja auch niemandem mehr zu vermitteln, wieso die Arbeit mit Kindern oder die Betreuung Pflegebedürftiger bei Bund und Kommunen höher zu bewerten ist als im Länderbereich.
Weiterhin kann man es auf Seiten der Gewerkschaften als Erfolg bewerten, dass der Generalangriff der Arbeitgeber auf den Flächentarif („das regeln wir über außertarifliche Zulagen“) und Eingruppierungsgrundsätze (Abschaffung des einheitlichen Arbeitsvorgangs) abgewehrt werden konnte. Damit ist das Positive aber schon aufgebraucht.
Die Laufzeit von 33 Monaten (bis 30. September 2021) ist sehr hoch. Wenn man berechtigt 6 Prozent für 12 Monate fordert (damit wäre der Abstand zur Bezahlung bei Bund und Kommunen gerade einmal zum 1. März 2019 abgeschafft gewesen) und dann für die ersten 12 Monate 3,01 % bekommt, hinkt die Bezahlung der Landesbeschäftigten immer noch weit hinter dem Bezahlungsniveau bei Bund und Kommunen hinterher.
Ich finde es sehr bedauerlich, dass die stufengleiche Höhergruppierung nicht durchgesetzt werden konnte. Die Arbeitgeber argumentieren hier mit einer Ungleichbehandlung der jüngeren Beschäftigten. Ich sehe hier eher eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der älteren Arbeitnehmer, denen man die gewonnene Berufserfahrung abspricht! Die Erhöhung der Garantiebeträge in den EG 1 – 8 um 100 € und in den EG 9 – 14 um 180 €, gedeckelt durch den Betrag bei stufengleicher Höhergruppierung, ist kein adäquater Ausgleich. Zumal man heutzutage immer öfter Seiteneinsteigern höhere Stufen zugesteht. Diese würden ansonsten nämlich gar nicht erst kommen. Die Bestandsbeschäftigten sind also wieder einmal die … Und die stufengleiche Höhergruppierung wäre meines Erachtens auch kostenneutral. Denn in der Regel waren diese Stellen ja bereits besetzt und wurden erst frei durch das Ausscheiden eines älteren Mitarbeiters zum Beispiel in den Ruhestand.
Als Kompensation für die Tarifverbesserungen (welche?) hat die TdL das Einfrieren der Jahressonderzahlung ab 2019 bis 2022 auf das Niveau 2018 festgeschrieben. Die Angleichung Ost auf West kommt jedoch noch, danke liebe TdL.
Im Lehrerbereich wird es vorerst die geforderte Paralleltabelle nicht geben. Begründung der Arbeitgeber: die Länderhaushalte für 2019 und 2020 sind beschlossen und lassen das nicht zu. Die Anhebung der Angleichungszulage von 30 € um 75 € auf 105 € ist dabei nur ein schwacher Trost.
Für IT-Kräfte wird es erst ab 1. Januar 2021 neue Eingruppierungsvorschriften in der Entgeltordnung geben. Bis dahin sollen Probleme außertariflich geregelt werden. Wie viele Einzelprobleme kann man außertariflich lösen? Verabschieden wir uns jetzt schon langsam vom Tarifvertrag?
Bemerkenswert war auch die Andeutung einiger Flächenländer, dem Beispiel Hessens zu folgen und die TdL zu verlassen. Wenn das Schule machen sollte, haben wir bald einen Tariffleckenteppich und bekommen in Deutschland ein zerfleddertes Bezahlungssystem wie in der Besoldung. Das gilt es zu verhindern; und so mussten auch die Gewerkschaften Zugeständnisse machen, so wie das bei Tarifverhandlungen nicht anders möglich ist. Ein guter Kompromiss ist immer dann gefunden, wenn alle darüber meckern!
Übrigens möchte ich an dieser Stelle auch auf eine Bemerkung des Sächsischen Finanzministers, Dr. Matthias Haß, eingehen, der in Potsdam für die Arbeitgeber mit am Verhandlungstisch saß. Der Freistaat Sachsen sei nach wie vor eines der finanzschwachen Länder mit großen Herausforderungen (Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministerium der Finanzen vom 3. März 2019). „Vor diesem Hintergrund habe ich mir ganz klar eine geringere Anhebung gewünscht und sehr dafür gekämpft, die Kosten zu begrenzen“, so Haß. Wertschätzung sieht bestimmt anders aus. Und den Wählern wird suggeriert, dass der nimmersatte öffentliche Dienst daran Schuld hat, wenn nicht investiert werden kann. Aber, Herr Finanzminister, Investitionen in das Personal sollten an erster Stelle stehen. Denn ohne Personal investieren Sie künftig gar nicht mehr!