Finger weg vom Grundgesetz Artikel 9
eine Nachlese, aus Tarifverhandlungen
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,
was erlebt und hört man in letzter Zeit nicht alles von politischer Seite aus unserer Bundeshauptstadt und ist eigentlich nur noch entsetzt. Ein neuer Angriff gilt nun den Gewerkschaften und vor allem unserem Streikrecht.
Handelsblatt: FDP will das Streikrecht für Mini-Gewerkschaften einschränken (was ist die Definition im Grundgesetz einer Mini-Gewerkschaft, diese Frage sei an dieser Stelle erlaubt?)
Merkur.de: Politik denkt über Streik-Bremse nach
Welt: Vor allem Unions- und Grünen-Anhänger für Einschränkung des Streikrechts
Frankfurter Rundschau: Nun wird in der Politik laut überlegt, ob Gesetzesänderungen und Einschränkungen der Streikrechte möglich wären.
Was mir nicht ins politische Kalkül passt, gehört abgeschafft, so könnte man diese Ansage verstehen. Eine typische Reaktion der Politik in Berlin, aber auch von vielen Politikern in den Bundesländern in letzter Zeit mit jeglichen kritischen Äußerungen.
Auszug aus dem GG Artikel 9 Absatz 3:
(3) 1Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. 2Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.
Wie konnte da ein Tarifeinheitsgesetz überhaupt zustande kommen, wenn man dies Allein als Regelungsgrund im GG stehen hat?. Die Schaffung des Tarifeinheitsgesetz ist ein direkter Eingriff in dieses Recht.
Der Streik ist ein Grundrecht (Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz) und das rechtmäßige Mittel zur Durchsetzung der Tarifforderung (Bundesarbeitsgericht vom 12. September 1984 – 1 AZR 342/83). Dies gilt für Warnstreiks genauso wie für den Vollstreik.
Wir hatten und haben sie noch, eine selbst geschaffene Inflationskrise. Arbeitnehmende haben daher das gute Recht, nach Kompensationen zu rufen. Wenn wir in solch einem Moment mit Verschärfungsdebatten um die Ecke kommen und Arbeitnehmenden, die sich demokratisch organisieren und für ihre Interessen eintreten, diese Rechte als Reaktion einschränken, dann ist das ein fatales Zeichen.
Zudem sollte man immer daran denken, dass das Recht streiken zu dürfen, auch in Deutschland blutig erkämpft worden ist.
Ja, ein Streik mag stören und in seinen Auswirkungen häufig Unbeteiligte des Arbeitskampfes treffen, dies ist jedoch nicht vorrangiges Ziel der Gewerkschaften, es ist eine der Folgen von Streiks. Im Wiederholungsfall liegt das letztlich daran, dass sich einige Arbeitgeber/Arbeitgeberverbände innerhalb der Verhandlungsrunden nicht ausreichend bewegen oder überheblich agieren!
Sehen wir uns einmal die Praxis an:
Tarifverhandlungen zum TV-L, es bedarf dreier Verhandlungsrunden inkl. einer Nachverhandlung, um überhaupt zu einem Angebot zu kommen. Regelmäßig gibt es in der ersten Verhandlungsrunde noch nicht mal ein Angebot, zumindest darauf kann man sich verlassen. Über die Ergebnisse reden wir ja noch nicht einmal, gerade in Zeiten der Rezession.
In der Presse ist leider zu oft derselbe Tenor zu lesen, wie die Politik ihn vorgibt. An dieser Stelle wünscht man sich doch einmal freien Journalismus mit Recherchearbeit, kritisches hinterfragen.
Bestes Beispiel zuletzt, die GDL
Keine vernünftigen Angebote, sich selbst jedoch mit unverschämten fürstlichen Gehältern und Boni versehen und belohnen, wofür eigentlich? Für ein desolates Schienennetz, Investitionen von Bahngeldern im Ausland, sollten die Lasten nicht von der Straße auf die Bahn gebracht werden, wieso investiert dann die Bahn in den Spediteur DB Schenker?
Der Bahnvorstand streut Informationen an die Presse und diffamiert den Vorsitzenden direkt in einer unverschämten Art und Weise, eine Gewerkschaft ist ein Gemeinschaftsorgan und jegliche Entscheidungen treffen die Mitglieder und der Vorstand auf Grundlage der Mitgliedsentscheidungen.
An welcher Stelle greift der Staat hier schützend ein? Darüber wurde insbesondere nicht gesprochen und geschrieben, weder vor, während und auch nicht nach dem Arbeitskampf.
Tatsache ist, hätte man nicht die irrwitzige Idee einer Privatisierung bei der Bahn gehabt, würden Züge vermutlich pünktlich fahren, es gebe insgesamt weniger Probleme und das Netz wäre nicht in einem so desolaten Zustand. Die Bahnbeschäftigten arbeiten unter diesen schlechten Bedingungen, das Personal wird wegen Verspätungen angegangen, obwohl es keine Schuld daran trifft. Wären Lokführer noch Beamte wie in den Zeiten der Staatsbahn dürften sie gar nicht streiken. Dieselbe Politik die durch die Privatisierung der Bahn dieser Berufsgruppe das verfassungsmäßige Streikrecht förmlich aufgezwungen hat, will es nun – weil gefühlt unbequem – wieder einschränken. Anstatt das Übel bei der Wurzel zu packen und seiner Aufsichtspflicht beim Bahnvorstand nachzukommen, wird es wieder nichts mit einer Bahnstrukturänderung.
Teile der Presse stoßen in dasselbe Horn wie Bahnvorstand und einige Politiker, da fällt einem nur eines ein: Kein Kommentar.
Daher ein klarer Aufruf an die Politik in Berlin, macht endlich euren Job, damit es zu keiner selbst erschaffenen Rezession kommt und es uns als Bevölkerung wieder besser geht. Schafft wirksame Lösungen zu aktuell brennenden Themen und haltet euch bitte an unsere bewährten Regeln.
Kleiner Tipp aus Artikel 19 Abs. 2 GG: In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
Kümmert euch um das Wohl unserer Bevölkerung, denn darauf habt ihr einen Eid geschworen, anstatt euch wiederholt am Grundgesetz vergreifen zu wollen, wenn es gerade nicht modern genug erscheint. Nur so schafft man echtes Vertrauen in die Politik.